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Das gefährliche Weib
Das gefährliche Weib
Ausstellung in der Städtischen Galerie im Alten Rathaus in Wittlich vom 12. Juni bis zum 14. August 2016
Besonders ästhetisch und gleichzeitig hochbrisant ist die zweite neue Ausstellung des Jahres 2016 in der Städtischen Galerie im Alten Rathaus. Dank der Vermittlung des Kunsthistorikers Dr. Richard Hüttel konnten aus der Sammlung des Leipzigers Bodo Pientka 57 zum Teil recht großformatige Grafiken entliehen werden, die sich alle mit der Frau als Verführerin und Gefahr für den Mann auseinandersetzen.
Die Idee vom „gefährlichen Weib“ gehört zu den männlichen Obsessionen in der Kunst um 1900. Parallel zur Emanzipationsbewegung der Frauen entwickelten sich die unterschiedlichsten maskulinen Phantasien und Abwehrhaltungen. Die Vorstellung von der weiblichen Verführungskraft, ja die Angst vor der hemmungslosen Sexualität der Frau war weit verbreitet. Sogar aufgeklärte Zeitgenossen wie Harry Graf Kessler meinten, dass Frauen „selbst die gescheitesten, immer auch mit dem Geschlechtsteil urteilen“.
Da wollten die Frauen „plötzlich“ wählen und studieren, schnitten sich die langen Haare ab und warfen ihre einengenden Korsetts fort. Diese „wilden“ Weiber irritierten. Sie waren faszinierend, aufregend und erotisch, aber auch gefährlich, denn dieser geballten Weiblichkeit waren die Männer hilf- und willenlos ausgeliefert.
In der Ausstellung „Das gefährliche Weib“ wird eine Reihe von Künstlern vorgestellt, die von der „Männlichkeitskrise“ der Jahrhundertwende erfasst wurden. Max Klinger, Otto Greiner, Richard Müller, Paul Hermann, Alfred Frank, Alois Kolb und andere waren von der weiblichen Erotik fasziniert und beunruhigt. In ihren Werken spiegeln sich die abseitigen, verunsicherten und frivolen Männerphantasien um 1900. Eine Gedankenwelt, die den Schluss ermöglichte, die Frau als Verführerin verlocke den hilflosen Mann, und somit die „gefährliche“ Frau zur „gefährdeten“ werden lässt. Zu der, die letztendlich die Schuld an sexueller Belästigung und Nötigung trägt, und somit dem Mann jedes Recht über ihren Körper zubilligt.
Angesichts der Tatsache, dass in einem indischen Prozess des Jahres 2016 der angeklagte Vergewaltiger und Mörder äußert, „an einer Vergewaltigung trage die Frau immer 1000 mal mehr Schuld als der Mann“ und den sexuellen Massenübergriffen in der Silvesternacht 2015/16 in Köln zeigt sich die Aktualität und Brisanz dieser Ausstellung von über 100 Jahre alten Kunstwerken. Männer wagen es noch heute, Frauen als boshafte Verführerinnen, denen sie hilflos ausgeliefert sind, darzustellen und damit belegen zu können, dass die Schuld an sexuellen Belästigungen und Übergriffen bei den Frauen selbst liege.
Die Ausstellung zeigt über fünfzig große Graphiken aus der Sammlung Pientka. Bodo Pientka ist Gründer und Vorsitzender des Arbeitskreises Jugendstil in Leipzig und Buchautor, Kunstkenner und –sammler. Max Klinger (1857-1920) ist noch heute ein bekannter Künstler, dessen teilweise sehr frechen Bilder (z.B. „Der pinkelnde Tod“) begeistern und ansprechen. Sein Freund und Künstlerkollege Otto Greiner (1869-1916) hingegen ist vergessen, und man findet seinen Namen nur noch in professionellen Fachlexika. Ähnlich in der Vergangenheit verschwunden sind Richard Müller (1874-1954), Otto Weigel (1890-1945), Walter Tiemann (1876-9154) und andere Künstler, deren Arbeiten in Wittlich zu sehen sind. Vor über 100 Jahren waren sie in aller Munde, da sie künstlerisch und technisch herausragende Werke malten, doch die Kunstgeschichte vernachlässigt seit Beginn des 20.Jahrhunderts die gegenständliche Kunst in einem Maße, dass die Ausstellung „Das gefährliche Weib“ für viele Besucher auch eine Entdeckung eher unbekannter Meister sein kann.
Die Bilder zeigen laszive Frauen, die die Männerwelt um den Verstand bringen. Perfekt gezeichnet, sehr erotisch und ungemein verführerisch. Viele Szenen sind bekannt, da sie der Bibel oder der griechischen Mythologie entlehnt wurden. Ein wunderbar ästhetischer Schleiertanz der Salome, der alles verbirgt, um alles zu zeigen (Paul Herrmann, 1864-1946) fasziniert ebenso wie eine Darstellung der Leda mit Zeus in der Gestalt des Schwans (Martin Erich Philipp, 1887-1978), die in ihrer erotischen Offenheit auch verstören kann und leicht an Bordellszenen Heinrich Zilles erinnert.
Der Mann ist diesen Frauen ausgeliefert. Als tumber und trotteliger Bär oder steifer, unersättlicher Marabu darstellt, ist er den „gefährlichen Weibern“ hilflos verfallen, wird gelockt und geneckt und gereizt. Das Leitmotiv der Drucksachen der Ausstellung war das Bild „Der Teufel zeigt das Weib dem Volk – Feilbietung“ von Otto Greiner. Es stellte exemplarisch die Intention der Ausstellung dar. Die Frau wird vom Bösen, vom Teufel persönlich, in die Welt gebracht und in ihrer Schönheit höchst verführerisch dem Volke, den Männern, präsentiert. Das gefährliche Weib verlockt die hilflosen Männer. Schaut der Betrachter hingegen die Männer an, sieht er aufgegeilte, tumbe und hemmungslose Visagen in unendlicher Menge, die die Frau bereits mit Blicken verzehren, die Frau, das gefährdete Weib, das jedes Recht auf Selbstbestimmung aufgrund seiner Obszönität verwirkt hat.